Ha, ho, hä?

Liebe Manon, danke, dass ich bei dir zu Gast sein darf. Allerdings
habe ich zunächst laut gelacht, als ich las, dass mein
Blogwichtelbeitrag ausgerechnet in deinem HSV-Blog erscheinen sollte.
Und zwar aus zwei Gründen: in meiner Familie sind vier von sechs
Mitgliedern leidenschaftliche Herthafans, die z.T. der Ansicht sind,
es wäre mal Zeit, dass endlich auch der HSV absteigt (ich finde es
allerdings gut, dass es einen Verein gibt, der seit dem Start der
Bundesliga dabei ist, und das darf ruhig so bleiben). Außerdem
verstehe ich zwar mehr von Fußball als meine Comic-Heldin PABBLES, habe aber insgesamt damit nicht so wahnsinnig viel am Hut, obwohl du mich in deinem letzten Posting als
Hertha-Fan angekündigt hast. Ich bin also eher kein Fan. Oder doch?

PabblesFußball_fertig

Ich nahm also dieses Blogwichtelgeschenk zum Anlass mal grundsätzlich
über mein Verhältnis zum Fußball nachzudenken. Was verbinde ich damit?

Zunächst einmal Erinnerungen, die sich von denen meines Mannes extrem
unterscheiden. Während er sich sogar noch an Spielergebnisse aus einer
Zeit erinnern kann, wo ich noch nicht mal denken konnte (er ist 5
Jahre älter als ich), kenne ich nicht mal die Namen aller aktuellen
Herthaspieler. Dafür erinnere ich mich daran, wie es war, als mein
Vater mich und ein Mädchen aus der Nachbarschaft zu Hertha ins
Olympiastadion mitgenommen hat, als ich etwa acht Jahre alt war. Da
muss wohl ein Spiel stattgefunden haben, aber ich weiß nur noch, dass
ich mich mit Conni im Oberring darüber unterhalten habe, wie lustig es
wäre, meinem Wellensittich eine Herthafahne ans Bein zu binden und ihn
damit durchs Stadion flattern zu lassen. Ähm, ja.

Fußball mit der Muttermilch? Nicht bei mir.

Bei den Schüler-Länderspielen gegen England, zu denen wir verdonnert
wurden, war ich grundsätzlich gegen Deutschland, weil Deutschland ja
schon im Geschichtsunterricht nicht so gut weggekommen war. Für
England war ich allerdings auch nicht.

Noch frühere Erinnerungen zeigen meinen Opi, mit dem Ohr am Radio
klebend, während wir samstagnachmittags Kaffee trinken wollten. Um die
anderen nicht zu stören, wurde das Radio leise gestellt. Leider durfte
niemand etwas sagen, weil er die Fußballergebnisse und -reportagen
hören wollte. Wenn doch, gab es ein energisches Wedeln mit der Hand
und ein scharfes „Pssst!“. Gar nicht gut kam es auch, die Ergebnisse
vorher zu erwähnen …

Hin und wieder trat ich mal selber gegen den Ball. Mit der Familie im
Urlaub, oder einmal, als in unserem Freundeskreis Männer gegen Frauen
spielten. Unser Torwart war ein ausgeliehener Mann (mit
Langhaarperücke, damit klar war, wohin er gehörte *g*), und trotzdem
schafften wir Frauen es nicht, die versprochene Kiste Champagner zu
gewinnen. Wir hätten dazu nur ein einziges Tor schießen müssen. Shit
happens, aber lustig war es trotzdem.

Lange Zeit bin ich auch zu den Fußballspielen meines (damals noch
nicht) Mannes mitgegangen. Nicht wegen des Fußballs, sondern wegen
meines Mannes. Später beschränkte sich meine Beziehung zu Fußball
darauf, dass ich mich jeden Samstag aufs neue wunderte, dass da ja die
Sportschau kam. Und zwar immer pünktlich um – ja, wann eigentlich?

Verliebt in die WM-Atmosphäre

Dann war es plötzlich 2006. Da war es leicht, zum Fußballfan zu
werden. Zunächst ging ich jedoch (alleine!) zum Public Viewing zum
Eröffnungsspiel Deutschland gegen Costa Rica. Natürlich mit der
Erwartung, Deutschland würde sich wieder bucklig anstellen und sowieso
in der Vorrunde rausfliegen. Das 4:2 (ich musste das Ergebnis eben
rasch googeln!) hat dann aber meine Einstellung komplett geändert. Und
spätestens beim Sieg gegen Ecuador waren auch bei mir aus „den
Deutschen“ „unsere Jungs“ geworden.

Eher als an die Spiele erinnere ich mich jedoch an die Atmosphäre und
Anekdoten drum herum. Wie ich nach einem Spiel mit Textine Eva
Engelken zu den Klängen einer Argentinischen Band barfuß Unter den
Linden tanzte. Wie ich am Abend des Argentinien-Spiels eine Lesung
hatte, zu Hause losfahren musste, bevor das Elfmeterschießen begann
und nur anhand der abgefeuerten Böller erkannte, dass Deutschland
gewonnen hatte. Wie lähmend das Entsetzen und die Fassungslosigkeit
aller Public Viewer im Zollpackhof war, als Deutschland gegen Italien
verloren hatte. Wie ich meinen Kindern versprach, am nächsten Morgen
mit ihnen auf der Fanmeile unsere Jungs zu bejubeln, obwohl der Abend
seeehr lang gewesen war. Ich habe mein Versprechen gehalten und die
Stimmung sehr genossen. Manchmal schaue ich noch das Sommermärchen auf
DVD.

Für wen schlägt mein Fußballherz? Hab ich überhaupt eins?

Dann kam der Bundesliga-Alltag zurück, und unsere Familie startete
eine Online-Tipprunde. Weil Tippen aber doof ist, wenn man nicht für
jemanden jubelt, habe ich mich zum ersten Mal ernsthaft gefragt, für
wen ich eigentlich bin. Gegen die Bayern, so viel war klar. Das ist ja
auch einfach. Aber dann? Mainz 05? Das wäre aber nur wegen Kloppo
gewesen, das fand ich auch irgendwie unprofessionell. Dortmund hat so
schöne schwarz-gelbe Ringel, aber meine Familie hasst das Team (wieso
nur?) und ich wollte ja keinen Stress. In meiner Ratlosigkeit habe ich
meine Twitter-Follower nach Argumenten für eine Mannschaft gefragt,
aber das war auch nicht hilfreich; da war die Mehrheit für Köln. Hätte
ich als Baby schon einen Schnuller und ein Lätzchen mit
Mannschaftslogo gehabt, wäre es wohl einfacher gewesen zu fühlen, für
wen mein Herz schlägt, aber bis auf besagten Opi gab es damals keine
echte Fan-Leidenschaft in meiner Familie.

Nie wieder Zweite Liga!

Ich habe dann aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen – bis Hertha
in die Zweite Liga abstieg. Das fand ich nicht lustig. Berlin ohne
Erstligisten, das ging ja gar nicht. Und dass der Hertha BSC heißen
musste, und nicht Union, war auch klar. Natürlich war die
Abstiegssaison die erste gewesen, in der wir zwei Dauerkarten besaßen,
nachdem die Saison vorher so gut gelaufen war. Aber wir haben aus
Trotz sogar auf drei Dauerkarten aufgestockt, als die Zweitligasaison
anbrach. Auch ich war dann hin und wieder im Stadion und habe die
Hertha zum Wiederaufstieg gebrüllt und mit dem Verein gezittert. Und
die Frage für wen ich die Daumen drücken soll, stellte sich gar nicht
mehr.

Vielleicht bin ich ja doch zum Hertha-Fan geworden. Still und
heimlich. Auf jeden Fall freue ich mich immer an der Begeisterung
meiner Familie für die Blau-Weißen und das ist mehr, als ich von mir
fußballmäßig erwartet hätte.

Und dem HSV drücke ich weiterhin die Daumen für den Verbleib in der
ersten Liga. Auf einem Platz hinter Hertha

***

Petra A. Bauer

Petra A. BauerPetra A. Bauer ist Autorin (u.a. Krimis, Kinderbücher, Ratgeber),
Bloggerin und Kolumnistin. Sie lebt mit ihrem Mann und den gemeinsamen
vier Kindern am grünen Stadtrand ihrer Geburtsstadt Berlin und im
Internet http://www.writingwoman.de (Blog:
http://www.autorenblog.writingwoman.de)

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3 Responses to Ha, ho, hä?

  1. Pingback: Ein Sack voller Geschichten | querbeet gelesen

  2. Marco says:

    Hallo zusammen,

    die letzten Spiele waren echt eine Katastrophe. Jetzt müssen aber so langsam Punkte her, vor allem auch im eigenen Stadion. Was haltet ihr davon, dass es an der Stimmung/Torhymne liegen könnte? Seit letzter Saison gehen die gesammelten Punkte zu Hause zurück, bleiben auswärts aber konstant. Würde die Rückkehr zur Torhymne aus der erfolgreichen Zeit psychologisch dem HSV weiterhelfen? Nur der HSV!

    Gruß
    Marco

  3. Das zentrale Thema Raimunds ist im Satz „Reichtum bietet keine Zufriedenheit“ zusammengefasst, deshalb lasst er auch die personifizierte Zufriedenheit auftreten. Und so entstand ‚Der Bauer als Millionar‘, in dem sich viele tappische Kleinigkeiten befinden, welche ich nur angebracht habe, weil ich furchtete, das Publikum mochte ihn zu ernsthaft finden.

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