Beim Spiel HSV gegen Ajax saß ich im Stadion. Die Mannschaft spielte super, war in allen Belangen überlegen. Spielte kompakt und schnell nach vorne. Ruud wurde bedient und er bedankte sich auf seine Weise: mit drei Toren. Ich staunte über die Fitness und über sein Engagement. Seine Fähigkeit den Ball abzuschirmen und so lange zu halten, bis er seine Mitspieler einsetzen kann, ist einzigartig. Keiner sonst beim HSV kann das so gut wie er. Als sich die Mannschaft bei ihrem Publikum bedankte, geht sie wie immer in die Nordkurve. Allein Ruud ging eine Stadionrunde und bedankte sich bei allen. Ich zollte ihm insgeheim ein Lob, denn das würde ich von allen Spielern gerne sehen. Ich dachte noch so bei mir, der identifiziert sich mit dem Verein. Davon sollten sich so manche eine Scheibe abschneiden.
Vor meinem geistigen Auge sah ich die Aufholjagd. Die Mannschaft zeigte sich geschlossen und ich sah Spieler wie Elia sehr viel nach hinten laufen. Bei Ballverlust wurde nachgegangen. Das war ein Verhalten, was ich lange nicht sah beim HSV. Warum könnte nicht mal der HSV in der Rückrunde für Furore sorgen, waren es sonst andere Vereine wie Stuttgart, Dortmund, Bremen. Der HSV stand meist lange oben, sonnte sich im Licht und wenn andere aufkamen, konnte der HSV nicht mehr zulegen. Die Situation war jetzt anders, denn ausruhen konnte sich keiner, also mussten alle alles geben und dazu waren sie anscheinend bereit. Dazu passte die Leistung von Ruud. Schießt Ruud in der Rückrunde 15 oder mehr Tore, würde es sogar für einen Championsplatz langen. Träumen ist als Fan erlaubt.
Umso geschockter war ich von der Nachricht am Freitag. Ruud wird von Real umgarnt und dieser ist nicht abgeneigt. Die Medien berichteten sogar von einem Boykott des Spielers, bekäme er die Freigabe nicht. Ein Traum zerplatze, aber noch gab es keine sicheren Meldungen auch der HSV hat noch nichts vermeldet. Es blieb eine Resthoffnung, dass alles eine Ente ist oder sich der 1. April vertan hat oder Schalke ein Störfeuer versuchte. Aber nach dem Spiel gegen Schalke wurde Ruud interviewt. Er lässt die Berater arbeiten und wünscht sich Klarheit vom Verein. Real lässt ihn überlegen.
Natürlich kann ich es verstehen, dass er überlegt. Denn es ist ja nicht nur Real Madrid, sondern auch Mourinho. Mourinho ist der beste Trainer der Welt, Real Madrid der beste Verein der Welt. Mit Mourinho sind Titel vorprogrammiert, vielleicht sogar der CL Sieg, den Ruud nicht sein eigen nennen kann. Nun benötigt Real Madrid für die nächsten Wochen einen Ersatz für ihren etatmäßigen Stürmer, der sich verletzt hat. Ruud ist so fit, wie lange nicht, dank der akribischen Trainingspläne in Deutschland. Mit dieser Fitness, seinen Spielen, die er für den HSV absolvierte und seinen Toren, wäre er in der Lage auch dort zu treffen. Zumal die Gegner in der Spanischen Liga nicht so stark und ausgeglichen sind, wie die Bundesliga. Er würde treffen und das nicht wenig. Bei Real spielt er um die Meisterschaft, um den Pokal und um die Cl. Was spricht für den HSV?
Für den HSV spricht, dass dieser Verein mit seinen Fans da waren, als ihn keiner mehr wollte. Als er am Boden war, zwei Jahre verletzungsbedingt nicht mehr auflaufen konnte, nicht fit war und in dem Zustand keine Chance bei den Madrilenen hatte. Der damalige Trainer legte Ruud keine Steine in den Weg, sollte er wechseln wollen. Der HSV lag Ruud von Anfang an zu Füßen. Sie verziehen ihm Fehlschüsse, schlechtere Spiele und eine Eingewöhnungszeit. Denn allen war klar, dass Ruud erst wieder auf die Beine kommen muss. Er braucht Spielpraxis, um zu zeigen, was er noch kann. Der HSV hat immer an ihm festgehalten, baute ihn auf. Ruud ist so fit, wie noch nie beim HSV. Er spielt gut mit, kennt die Bundesliga, kennt seine Mitspieler und das Spiel wird mehr und mehr auf ihn zugeschnitten. Wo alles zu passen schien, will er weg.
Ich war begeistert von Ruud und bin es noch. Aber Ruud hat im ersten Jahr beim HSV nicht seine optimale Leistung gezeigt, nicht zeigen können. In mehreren Spielen hatte er den Siegtreffer oder den Anschlusstreffer auf dem Fuß, aber er zeigte Nerven. Er war nicht topfit, was in diesen Situationen erkennbar war. Aber ich ließ ihn gewähren, wusste ich doch, dass er uns das zurückgeben würde. Uns den Fans und uns dem Verein. Ich wusste, dass er wie gegen Schalke, der Matchwinner sein wird. Noch viel öfter, als bisher. Ich verzieh im Querschläger gegen Bremen, denn hätte er seine Chance dort genutzt, wären wir nicht als Verlierer vom Platz gegangen. Aber ich sah immer sein Potenzial, seine Steigerung von Spiel zu Spiel.
Und nun, wo er kurz davor stand mit dem HSV Großes zu leisten, nun möchte er weg. Ich träumte sogar davon, dass Ruud ein Jahr verlängern würde, wenn der HSV sich für die CL qualifiziert. Davon war ich überzeugt. Aber nun das Interview. Seine Augen glänzten, als er von Real sprach. Und wir? Wo bleiben wir? Wo bleiben wir mit unseren Hoffnungen und unseren Träumen? Vergraben? Wer soll seine Rolle einnehmen? Ruud schirmt den Ball ab wie kein Zweiter, Ruud setzt mit klugen Pässen seine Mitspieler manchmal besser ein, als es ein Mittelfeldspieler tun könnte und er schießt Tore. Derzeit ist seine Quote bei 40%, die kann er locker auf 60 – 80% steigern. Er ist jetzt fit. Wenn sich die Mannschaft in einen Rausch spielt, auch über 100%. Was wären das für Zeiten für den HSV.
Und nun kommt Mourinho und Real Madrid und der Dank für den HSV schwindet auf ein Lippenbekenntnis. Er hätte dem HSV viel zu verdanken, aber es hätte schließlich Real Madrid angefragt. Tja, was soll man dazu noch sagen? Der HSV ist nicht Real, aber real wäre mir Ruud lieber.